Die Sprechstunde – Cyberknife und ZAP-X in München
“Moderne Therapien bei Tumorerkrankungen”
Die Radiochirurgie mit dem Cyberknife bei Tumoren und Metastasen TALK mit Dr. Erich Lejeune, Dr. Martin Marianowizc und Professor Alexander Muacevic.
Video-Transkript
Christoph GoggSeien Sie alle ganz herzlich willkommen zur Sprechstunde. Ich freue mich sehr, dass Sie wieder mit dabei sind. Wir sind diesmal zu Gast beim Europäischen Radiochirurgie Centrum in München, Großhadern. Und hier werden gutartige sowie bösartige Tumore gezielt behandelt und vernichtet. Wie das genau in der Praxis funktioniert und wie die Behandlungsmethoden im Einzelnen aussehen, das zeigen wir Ihnen heute in der Sprechstunde.
Christoph GoggHerr Professor Muacevic, wir sind im Europäischen Radiochirurgie Centrum in München, wie es jetzt ganz neu heißt. Vielen bekannt natürlich noch als Cyberknife Centrum München Großhadern. Wie kam es denn zu dieser Neuerung des Namens bei Ihnen?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicJa, aufgrund der neuen Technologie, die wir in Folge vorstellen möchten, haben wir einen neuen Namen gebraucht. Der alte Name hat nicht mehr gepasst. Deshalb haben wir uns jetzt auf den Namen Europäisches Radiochirurgie Centrum München geeinigt, zusammen mit unseren Kooperationspartnern. Und da sind wir jetzt für die Zukunft sicherlich gut aufgestellt.
Christoph GoggWir wollen ja heute in der Sprechstunde medizinische Innovationen beleuchten. Was ist denn für Sie medizinisch innovativ? Wo fängt denn das an für Sie?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicInnovation ist immer dann, wenn es zur Verbesserung des Patienten Neuigkeiten gibt. Das heißt: weniger belastend, kürzere Therapien, vielleicht Weglassen von zusätzlichen medikamentösen Therapien, wie es noch vor kurzem nötig war. Also zum Wohle des Patienten ist da heutzutage sehr, sehr viel, was wir an Innovation in der Medizin haben. Das ist ja ein bisschen ein Problem, dass man landläufig gar nicht mitbekommt, was so an Innovationen passiert. Viele Patienten, die bei uns zum Beispiel da sind, kommen eher durch Zufall. Die sagen, irgendwo hat der Nachbar was erzählt, dass es so was gibt. Das heißt, es ist gar nicht leicht, diese Innovation auch letztendlich unters Volk zu mischen, um davon jeden, der das benötigt, partizipieren zu lassen.
Christoph GoggWas passiert denn jetzt genau bei der Bestrahlung? Wie muss man sich diesen Vorgang medizinisch vorstellen?
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Es hat sich schon selbst in diesen 16 Jahren da wieder einiges getan. Mit unserer herkömmlichen Technologie – mit dem Roboter – haben wir jetzt hier schon wieder das dritte System im Laufe der Jahre etabliert. Aber es ist einfach der Gedanke, dass ich hier mit sehr moderner, innovativer Medizin schwerwiegende operative Eingriffe ersetzen kann. Komplett nicht-invasiv mit meistens einer einmaligen Therapie, um hier, zum Wohle des Patienten, einfach sehr moderne Medizin machen zu können. Und das Ganze hat sich jetzt über die letzten Jahre sehr schön etabliert. Wir haben über 10.000 Patienten erfolgreich, darf ich sagen, behandelt. Und das Ganze wird auch sicherlich noch weitergehen. Wir haben ja ursprünglich angefangen mit reinen Hirnbehandlungen. Das Ganze ging dann über die Wirbelsäule in den Körperbereich: Lungen-, Leber-, Nierentumore. Und jetzt in den letzten Jahren, zwei drei Jahren, kann man sagen, dass auch die Prostatabehandlung hier einer unserer Schwerpunkte ist.
Christoph GoggWenn Sie mal auf diese Jahre der Behandlungen auch zurückblicken, gab es da auch Momente, wo Sie gesagt haben: Ist das die richtige Technologie, bis sie sich etabliert hat?
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Das ist eine gute Frage. Aber ich muss sagen, die Robotertechnologie mit der Bildführung war vor 16 Jahren schon wirklich ihrer Zeit ziemlich voraus. Es ist immer noch sehr, sehr gut. Es ist von der Präzision unschlagbar.
Wir haben Genauigkeiten von unter einem Millimeter, meistens bei 0,5 Millimeter. Das ist so wenig, das kann man kaum noch wirklich zeigen. Und mit dieser Präzision arbeiten zu können, ist schon ein echter Vorteil und ermöglicht dann auch erst diese kurzen Behandlungszeiten und auch kurze Behandlungsintervalle. Also wir haben ja auch früher öfter mal in mehreren Sitzungen behandelt. Aber mittlerweile kann man wirklich die meisten Behandlungen mit einer Sitzung machen, weil wir eben so extrem genau geworden sind.
Christoph GoggDas Besondere an diesen Technologien ist ja auch, dass sie den Patientinnen und Patienten die Angst nehmen. Wenn man jetzt das Wort Eingriff hört, denkt man immer an Messer und an Schnitte und dann auch Blut, was aus dem Körper kommt – das passiert ja alles hier nicht.
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicJa, die neuen Technologien sind komplett nicht-invasiv. Das heißt, ich habe immer einen Abstand von 80 Zentimetern, im Falle von der Robotertechnologie, zwischen meinem Behandlungsgerät und meiner Zielstruktur.
Und insofern habe ich keine Operation oder keine Narkose, die erforderlich ist. Und das ist auch der Grund, warum der Patient quasi fünf Minuten nach der Therapie schon das gastliche Haus verlassen kann. Kommt dann wieder zur ersten Kontrolluntersuchung irgendwo zwischen drei und sechs Monate, je nach Indikation. Und dann wird über die Bildgebung nachgesehen, wie denn das erste Behandlungsergebnis ist.
Christoph GoggUnd ich denke mal, was ja ganz wichtig ist, dass zur Robotertechnologie auch der Mensch, der Behandler, immer noch dazwischengeschaltet ist. Also dass die Patientin und der Patient auch sehen, da ist noch ein Mensch, der mich auch behandelt und ich nicht nur vom Roboter betreut werde.
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicDas ist natürlich extrem wichtig. Deshalb nehmen wir uns viel Zeit für die Patienten, gerade beim Erstgespräch, wo wir mindestens eine halbe Stunde einplanen, weil natürlich legt sich keiner einfach unter den Roboter. Wir sind ja keine Fertigungsstraße in der Industrie, sondern das muss man alles ganz genau erklären. Man muss als Patient nachvollziehen können, was denn da wirklich gemacht wird. Wie funktioniert das? Wie kann der Roboter mit seinen Strahlen diese Tumore ausschalten? Und das wird sehr ausführlich am Anfang diskutiert. Und dann ist im Prinzip auch die Akzeptanz sehr hoch.
Christoph GoggJetzt behandeln Sie hier gut- wie bösartige Tumore mithilfe dieser Technologien. Wo finden die sich denn alle im Körper
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicAlso das sind sehr unterschiedliche Tumore. Im Falle von Hirntumoren sind es meistens gutartige Tumore. Aber auch als bösartige Tumore zu nennen, zerebrale Metastasen. Im Bereich vom Körper sind es oft bösartige Tumore, also Lungenkarzinome oder Nierentumore. Wobei, das möchte ich gleich einschränkend sagen, sind es die allerwenigsten Fälle, die leider hier geeignet sind. Weil die bösartigen Tumore oft leider dazu neigen zu streuen.
Und wenn ich verschiedenste Herde habe, gerade auch mit Lymphknotenmetastasen, dann ist so eine lokale Therapie nicht sinnvoll einsetzbar. Aber wenn ich einen isolierten zwei Zentimenter Tumor im Körper habe, wo man normalerweise sagen würde, das sollte operativ entfernt werden, kann man oft mit solchen nicht-invasiven Maßnahmen alternativ sehr gut Abhilfe schaffen.
Christoph GoggJetzt haben wir schon viel theoretisch gehört über diese medizinischen Innovationen. Ich würde sagen, jetzt gehen wir in medias res und schauen uns eine medizinische Innovation mal ganz genau an.
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Gerne.
Christoph GoggHerr Professor Muacevic, jetzt haben wir schon einiges über das Europäische Radiochirurgie Centrum, wie es jetzt ganz neu heißt, erfahren können. Und wie versprochen sind wir jetzt hier in einem ganz futuristischen Raum angelangt – beim sogenannten ZAP-X – und haben uns auch noch Verstärkung mit dazu geholt. Dr. Christoph Fürweger ist auch noch mit dabei aus dem Team hier am Standort. Um was für ein Apparat handelt es sich denn hier bei dem ZAP-X?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicJa, wir sind sehr froh und stolz, dass wir seit einigen Monaten das sogenannte ZAP-X jetzt hier in München etablieren konnten. Das ist das sechste Gerät weltweit, was hier zum Einsatz kommt. Das ist ein Gerät, was speziell für die Hochpräzisionstherapie oder Bestrahlung von Hirntumoren ausgelegt wurde. Interessanterweise derselbe Erfinder wie bei unserem Cyberknife-System, der Professor John Adler von der Stanford University. Also insofern wird die Geschichte ein bisschen fortgeschrieben. Und das Ganze ist auch in einem Kooperationsprojekt wieder zusammen mit dem Klinikum Großhadern und der AOK Bayern entstanden.
Christoph GoggInwiefern verändert jetzt diese medizinische Innovation auch den Medizinstandort München und Bayern positiv?
Dr. techn. Christoph FürwegerJa, es ist grundsätzlich aus meiner Sicht immer sehr begrüßenswert, wenn man die innovativsten Techniken einsetzen kann und auch den Patienten zugutekommen lassen kann.
Und dieses System bietet schon noch mal Möglichkeiten, die über unseren bestehenden Fuhrpark mit dem Cyberknife hinausgehen. Das heißt, wir können noch präziser Tumore im Gehirn behandeln. Und es ist insofern auch jetzt für das Umland und Bayern sehr gut, wenn wir diese zusätzliche Methode anbieten können.
Christoph GoggWie ergänzen Sie jetzt diese beiden medizinischen Fachrichtungen, also die Cyberknife-Technologie und die ZAP-X-Technologie zusammen hier am Standort?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicAlso das ZAP-X ist für uns im Prinzip die optimale Ergänzung zum Cyberknife-System, wo wir ein bisschen an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen sind. Wir haben ja nach wie vor etwa 50 bis 60 Prozent Indikationen aus dem Neurobereich, also im Wesentlichen Tumore im Bereich des Hirns. Und die wollen wir mehr und mehr jetzt hier mit der neuen Technologie aufgreifen und behandeln und auf dem Cyberknife dann mehr die komplexeren Therapien wie bewegliche Organe, Lungentumore, Nierentumore oder auch das Prostatakarzinom.
Christoph GoggJetzt ist ja die Diagnose Tumor immer ein Schrecken für jede Patientin und jeden Patienten. Wie können Sie auch explizit die Angst nehmen, den Menschen, jetzt sich in so einem Apparat auch zu legen?
Dr. techn. Christoph FürwegerJa, grundsätzlich ist es natürlich schon eine schwierige Situation, mit der man umgehen muss. Dieses neue Gerät hat einen großen Vorteil für den Patienten: Das Bedienpersonal ist mit im selben Raum. Das nimmt vielen schon die Angst, weil die wissen, da ist es keine dicke Bunkerwand dazwischen, wo dann die Leute entkoppelt von mir sind und mich vielleicht noch über Kameras sehen, sondern hier sind die Leute wirklich mit im Raum und direkt dran. Und man kann sich das auch so vorstellen, dass man hier in dieses Gerät, so ein bisschen ähnlich einer Computertomografie-Aufnahme oder einem MRT, hineingefahren wird. Aber im Gerät selbst ist der Raum etwas größer. Also man fühlt sich da drin durchaus wohl. Ich habe mich selbst auch schon mehrfach reingelegt.
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also man hat innen drin eine Fläche von 1,20 Meter Platz, also es ist nicht so wie bei der MRT-Diagnostik, wo alles sehr eng ist, sondern ich habe 1,20 Meter Platz. Und vor allem kann ich auch seitlich rausgucken – das ist psychologisch natürlich sehr wichtig. Also das ist jetzt nicht unbedingt besonders komfortabel, aber es ist für eine Behandlung, die ja mit dem ZAP-X auch besonders kurz ist, durchaus erträglich. Wir haben jetzt gerade letzte Woche drei Behandlungen durchgeführt, wobei jede Behandlung unter 15 Minuten war. Das muss man sich mal vorstellen. Eine einmalige Therapie eines Hirntumors unter 15 Minuten – als Alternative immer zu sehen zu einem operativen Eingriff. Das ist natürlich schon was Besonderes. Und da sind wir hier mit dem ZAP-X ganz vorne dabei.
Dr. techn. Christoph FürwegerUnd man kann auch noch zusätzlich sagen, dass einfach dem Patienten die Behandlung so angenehm wie möglich gestaltet wird. Also vorher wird erklärt, was gleich abläuft, dass man jederzeit stoppen und unterbrechen kann und es wird auch Musik eingespielt nach den Wünschen des Patienten. Also es ist schon gut auszuhalten.
Christoph GoggWie sehen jetzt die einzelnen Behandlungsschritte aus? Von der ersten Anamnese bis zur direkten Behandlung der Patientin und des Patienten?
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also entscheidend ist immer die Bildgebung am Anfang – entweder MRT-Diagnostik oder CT-Diagnostik oder auch teilweise PET-CT-Diagnostik. Also diese nuklearmedizinische Untersuchung, wo ich Tumore zum Leuchten bringen kann. Das muss im Vorfeld durchgeführt werden. Dann müssen diese Bilder alle analysiert werden, von uns und unserem Team. Dann muss die Behandlungsplanung durchgeführt werden, die unter Umständen deutlich aufwändiger ist als die eigentliche Therapie. Also den Patienten hier vor Ort brauchen wir eigentlich die kürzeste Zeit. Der Patient bekommt die ganze Planung und den ganzen Arbeitsablauf im Hintergrund im Prinzip nicht mit, sondern ist dann nur zur eigentlichen Therapie hier. Wie gesagt, idealerweise läuft das Ganze mittlerweile in 15 Minuten, aber so eine Behandlungsplanung von komplexeren Tumoren kann durchaus ein bis zwei Tage gehen. Also das ist im Prinzip unsere Hauptarbeit. Wenn der Behandlungsplan abgeschlossen ist, dann wird der Patient positioniert und die Behandlung läuft dann vollautomatisch.
Dr. techn. Christoph FürwegerEin Teil der Arbeit wird auch da reingesteckt, dass wir vorab entscheiden, welches Gerät wir jetzt für welchen Patienten verwenden. Da braucht es entsprechende Expertise, die wir jetzt nach mittlerweile 15 Jahren hier entsprechend haben. Also wir überlegen uns für jeden einzelnen Patienten, schon bevor der Patient hier die Computertomografie-Aufnahme macht, in welchem Gerät dieser Patient besonders gut aufgehoben ist.
Christoph GoggInwiefern verändert denn die Technologie auch das Tumorverhalten, sprich Tumorschrumpfung?
Dr. techn. Christoph FürwegerAlso ganz grundsätzlich ist es so, dass wir eben in der Nachsorge dann mitverfolgen, wie sich der Tumor verhält. Und man geht bei vielen Erkrankungen davon aus, dass der Tumor zurückgeht über die Zeit. Aber die Wachstums- oder die Größendynamik ist unterschiedlich. Bösartige Tumore, Metastasen etwa, gehen in der Regel sehr schnell zurück – da kann man erste Effekte schon nach drei Monaten sehen. Während gutartige mitunter länger größenstabil bleiben und erst nach sechs Monaten bis zwölf Monaten erste Schrumpfungen zeigen.
Christoph GoggJetzt hat ja jede medizinische Innovation unglaublich viele Möglichkeiten, die sie bietet. Aber es gibt natürlich auch Grenzen. Wo liegen denn die bei so einer Technologie auch?
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Die Grenzen sind natürlich ganz wichtig. Wir haben ja schon öfter in den Sendungen davor besprochen, dass wir relativ rigide sind bei der Auswahl. Das ist kein böser Wille, aber wir wollen einfach ganz sicherstellen, so gut es geht medizinisch, dass die Fälle, die wir behandeln, auch den gewünschten Erfolg bringen. Das heißt, wir müssen im Vorfeld etwa bei 90 Prozent liegen, wo wir sagen, zu 90 Prozent Wahrscheinlichkeit geht das Ganze gut oder sehr gut. Und wenn wir das bei den einzelnen Fällen von vornherein nicht beurteilen können in diese Richtung, dann würden wir die Behandlung auch eher nicht durchführen, weil das sind im Hintergrund aufwendige und auch teure Methoden.
Die müssen auch zielgerichtet und mit dem richtigen Augenmaß eingesetzt werden. Aber es ist natürlich bei der Radiochirurgie, um das noch mal aufzugreifen, immer wichtig, dass die Tumore nicht zu groß sind, dass es nicht zu viele Tumore sind und auch die Histologie, also die feingewebliche Beurteilung, ist sehr wichtig. Wir haben jetzt sehr, sehr viele Anfragen auch für ZAP-X-Behandlung bekommen, aber leider konnten wir viele Patienten da auch nicht behandeln, weil einfach die Tumorart nicht gepasst hat.
Und das ist dann unsere Expertise, das entsprechend auszuwählen. Und es tut uns leid, wenn wir dann viele auch enttäuschen müssen, aber dafür können wir bei denen, wo es gut passt, dann auch was besonders Gutes erreichen.
Christoph GoggJetzt haben wir ja schon Herrn Professor John Adler persönlich kennenlernen dürfen, als er diese Innovation in München präsentiert hat. Wie ist so die Zusammenarbeit und auch Ihre Erfahrungen mit dieser besonderen Persönlichkeit?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicJa, es ist schon eine sehr faszinierende Persönlichkeit. Wenn man bedenkt, dass er zum einen die Cyberknife-Technologie erfunden hat – von der Bleistiftzeichnung zu einer Firma, zu einem Produkt, was weltweit vertrieben wird, hochgezogen hat. Genau dasselbe hat er jetzt mit dem ZAP-X auch vor. Die Idee von dem ZAP vom Professor Adler ist, dass man die Radiochirurgie weltweit besser etabliert.
Das Problem beim Cyberknife ist ein bisschen: Das ist zwar sehr, sehr gut, aber auch sehr, sehr teuer. Das heißt jetzt, wenn man an ärmere Länder oder Staaten denkt, in Afrika oder Südamerika, da kann sich so ein Cyberknife nicht etablieren. Das ist einfach nicht darstellbar. Deshalb ist das ZAP-X, so als kompakte Anlage, die keinen Bunker braucht – wir haben uns kurz angesprochen vorhin –, die man sozusagen überall installieren kann, ohne große bauliche Maßnahmen, natürlich eine Möglichkeit, das Ganze auch weltweit besser zu vertreiben. Und das ist so die Grundidee dieser neuen Technologie. Und da freuen wir uns, wenn wir da auch einen kleinen Teil dazu beitragen können.
Dr. techn. Christoph FürwegerEs ist auch vielleicht herauszustellen, dass wir aufgrund unserer großen klinischen Erfahrung der ideale Kooperationspartner für eine Firma sind, die jetzt eine Technologie neu am Markt platziert und weltweit sozusagen etablieren möchte. Und von unserer Seite können wir entsprechend klinische Erfahrungen einbringen, die sich wieder in Studien äußern wird. Also, wir werden unser Möglichstes tun, um diese Technologie einfach auch voranzutreiben.
Christoph GoggWie gesagt, durften wir ja Professor John Adler schon kennenlernen und er hat uns auch höchst begeistert über seine neue medizinische Innovation berichtet. Und da schauen wir jetzt mal rein in sein aktuelles Statement.
Dr. John AdlerIch bin sehr glücklich und sehr bewegt. Wir stellen hier ein hochmodernes Gerät zur Bekämpfung von Hirnmetastasen vor. Ich denke, das ist eine große Hilfe für die Patientinnen und Patienten hier in München. Und ich hoffe, dass bald viele Menschen in ganz Bayern und darüber hinaus damit behandelt werden können.
Durch seine besondere Technologie kann der Apparat äußerst präzise Tumore im Gehirn und Kopfbereich bekämpfen. Ich vergleiche die Funktionsweise des Gerätes gerne mit der eines Brennglases. Wenn Sie Ihre Hand ins direkte Sonnenlicht legen, passiert nicht allzu viel. Aber wenn dieses Sonnenlicht durch ein Brennglas geschickt wird, bündelt sich die gesamte Energie an einem Punkt. So haben Sie ein starkes Kraftfeld, welches beispielsweise auch Tumore zerstören kann.
Wir haben jetzt hier kein Brennglas, aber unser Apparat arbeitet auf dieselbe Weise. Wir zerstören so die Tumore ganz ohne Einsatz eines Skalpells.
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Wir haben hier mal ein Behandlungsplan mit Cyberknife für eine Prostatabehandlung. Insbesondere fällt auf, dass hier im hinteren Teil von der Prostata, wo der sogenannte Enddarm liegt, ein sehr, sehr steiler Dosisabfall, wie wir das nennen, zu verzeichnen ist. Das heißt am vorderen Teil des Darms gibt es fast überhaupt keine Dosis. Auch hier über der Prostata, hier oben, das ist die Blase, sieht man einen sehr steilen Gradienten. Das heißt, die Dosis ist extrem auf die Prostata fokussiert und die umliegenden Organe –nochmal Darm und Blase – bekommen sehr, sehr wenig Dosis ab.
Dr. techn. Christoph FürwegerDie Radiochirurgie der Prostata wie wir sie derzeit durchführen, wird in fünf Sitzungen appliziert. Dabei ist es so, dass das System, das wir verwenden, auch der Bewegung der Prostata während der Behandlung folgt. Und nur dadurch sind wir in der Lage, umliegende Risikostrukturen wie Enddarm, Blase bestmöglich zu schonen.
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicSo, hier haben wir das Beispiel eines unserer ersten ZAP-X-Patienten. Das ist es ein malignes Melanom, eine Metastase eines malignen Melanoms, im hinteren Schädellappen lokalisiert, schon relativ ausgedehnt.
Was man außenrum sieht, hier diese Dichteunregelmäßigkeiten, bisschen das Gräuliche, das ist alles Ödem. Also der Tumor war sehr aktiv. Den haben wir mit der ZAP-Technologie behandelt. Man sieht hier die Kontrolle nach drei Monaten. Der Tumor ist zu über 90 Prozent schon zurückgegangen und vor allem ist außenrum das sogenannte perifokale Ödem, also die Wasseransammlung im Gewebe, komplett rückläufig. Und man kann hier wieder diese Gehirn-Sulci sehen, die vorher nicht mehr erkennbar waren.
Dr. techn. Christoph FürwegerUnd das erreicht man technisch dadurch, indem man die Dosis stark auf den Tumor konzentriert, eine hohe therapeutische Dosis appliziert und rundherum den Dosisgradienten schafft, der das umliegende Gewebe bestmöglich schont. Auf diese Weise kann auch das Ödem zurückgehen.
Christoph GoggZur Funktionsweise des Systems: Wie funktioniert denn das genau? Auch zum Verständnis für die Patientinnen und Patienten.
Dr. techn. Christoph FürwegerDer Behandlungsablauf läuft so ab: Nach erfolgter Bestrahlungsplanung wird der Patient auf diese Couch hier positioniert, ohne Narkose, ohne rigide Fixierung. Es wird zwar eine thermoplastische Maske aufgesetzt, die dient aber nur zur Stütze. Der Patient wird in das Gerät eingebracht. Es wird während der Behandlung über mehrere Kameras verfolgt. Es gibt auch eine Sprechverbindung zum Bedienpersonal. Das Personal ist aber im selben Raum und verfolgt das direkt mit. Und während der Behandlung bewegt sich dann ein Linearbeschleuniger, der einen feinen Photonenstrahl aussendet, rund um den Patienten herum. Und aus vielen Richtungen – üblicherweise etwa 100 – wird dann der Tumor ins Kreuzfeuer genommen.
Damit der einzelne Strahl auch wirklich exakt an der richtigen Stelle ankommt, wird zwischendurch immer über eine Röntgenanlage, die auch wenn man sich das schwer vorstellen kann, in dieser kompakten Maschine auch noch verbaut ist, genau kontrolliert, wo der Kopf liegt und zwar auf zehntel Millimeter genau, dass dieser Strahl exakt an die richtige Stelle geführt wird. Das dauert dann so etwa 15 Minuten im Schnitt vielleicht bei komplexeren Missionen mal 20 oder 25, aber so in dieser Gegend bewegt man sich.
Danach wird der Patient wieder aus der Maschine herausgefahren, merkt eigentlich von der Behandlung zunächst gar nichts und das ist dann schon der Abschluss der Behandlung.
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicUnd was ganz wichtig ist, wo man nochmal drauf hinweisen muss und wo sich diese Technologie auch unterscheidet zu den herkömmlichen Bestrahlungssystemen, dass immer wieder korrigiert wird. Also es wird nicht nur geschaut, wo ist die Position des Tumors beziehungsweise des Patientenkopfes, sondern wenn es da eine Abweichung gibt, also eine geringe Abweichung, ein, zwei oder drei Millimeter, dann wird das automatisch über die Liege korrigiert. Und dann geht es erst weiter.
Das heißt, wir können während diesen gesamten 15 Minuten maximale Präzision von unter einem Millimeter garantieren.
Christoph GoggGanz wichtig bei modernen medizinischen Innovationen ist ja auch die Kooperation zum Beispiel mit den Universitätskliniken. Wie sieht denn die im Detail bei Ihnen aus?
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Ja, sicherlich. So eine Technologie, die auch so anspruchsvoll ist, dass man das nicht irgendwo auf der grünen Wiese machen kann oder sollte, sondern das Ganze ist hier eingebunden in das universitäre Konstrukt mit dem Klinikum Großhadern und als Versicherungspartner auch der AOK Bayern. Also es gibt momentan zwei Kostenträger, die das übernehmen. Von Seiten der Versicherung: Das eine ist die AOK Bayern, zum anderen auch die Privatkassen über den PKV-Verband. Alle anderen Kassen sind momentan noch in Diskussionen. Aber das Ganze wird natürlich jetzt gerade als neue Technologie sehr intensiv evaluiert und auch wissenschaftlich analysiert – zusammen mit unseren Physikern, zusammen mit den entsprechenden klinischen Spezialisten aus dem Klinikum, um hier auch tatsächlich nachweisen zu können, was man tut und vor allem wie man es tut.
Christoph GoggEs gibt auch das sogenannte Tumorboard. Was muss man sich denn da genau darunter vorstellen?
Dr. techn. Christoph FürwegerAlso es gibt Tumorboards für alle möglichen Erkrankungen, für individuelle Erkrankungen. Da werden dann einzelne Fallsituationen in einem Konsens zwischen unterschiedlichen Experten besprochen und dann wird eine gemeinsame Therapie-Entscheidung getroffen. Also da sitzen dann die unterschiedlichen Fachdisziplinen zusammen, besprechen dann die besten Möglichkeiten und einer davon kann dann eben sein, hier eine Behandlung mit dem ZAP-X-System durchzuführen.
Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Das ist ja der große Vorteil an dem Standort hier, dass man diese ganzen Spezialisten auf engem Raum zusammen hat. Das ist ja für uns zwar selbstverständlich, das ist aber nicht selbstverständlich. Wenn ich irgendwo ein bisschen weiter in der Peripherie bin, dann habe ich natürlich nicht einen Spezialisten für den hirnchirurgischen Eingriff, einen Spezialisten für einen Tumor, einen Spezialisten für Gefäßläsionen, einen Spezialisten für Schmerzsyndrome.
Diese ganzen Spezialisten sitzen dann gebündelt in diesem Tumorboard und somit kann ich dann auch die optimalen Therapiekonzepte in diesen Tumorboards etablieren.
Christoph GoggBlicken wir noch ein bisschen in die Zukunft. Was wird denn noch alles an medizinischen Innovationen auf uns zukommen, von dem wir vielleicht noch gar nicht ahnen, dass es schon vor der Haustüre steht?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicAlso ich glaube schon, dass in unserem Bereich das noch deutlich zunehmen wird. Also diese Hochpräzisionsbestrahlungstechniken werden zunehmen, wie wir das jetzt auch gerade hier sehen. Das ZAP-X wird sicherlich eine gewisse Erfolgskurve nehmen. Das Ganze ist aber immer auch sehr stark an die Bildgebung gekoppelt. Also je besser die Bildgebung wird, desto besser werden auch wir mit diesen Techniken sein in der Zukunft. Und es wird immer eine Kombination sein aus systemischen Therapieansätzen, Bildgebung und Hochpräzisionsbestrahlung.
Aber natürlich kann man die Operation auch nicht völlig abschreiben. Das wird ja oft so gesagt. Naja, nach dem Motto: Das brauchen wir dann gar nicht mehr. Das ist natürlich nicht wahr. Es gibt viele Fälle, die nach wie vor auch operiert werden müssen, weil viele Tumore oft erst zu spät erkannt werden. Dann sind die Tumore zu groß und dann kann man mit solchen Techniken möglicherweise gar nichts erreichen.
Also ich denke, die Gesamtmedizin entwickelt sich da immer weiter. Aber jeder einzelne Bereich wird immer zum Wohle des Patienten, denke ich, patientenschonender sich entwickeln. Und da werden wir einen kleinen Beitrag auch zu leisten.
Dr. techn. Christoph FürwegerUm es vielleicht mit einer Zahl zu hinterlegen. Mit diesem Gerät ist man in der Lage, einen Strahl von nur vier Millimetern Durchmesser zu generieren und zielgenau im Tumor zu platzieren.
Vier Millimeter ist eine Größe, wo man sich in der Bildgebung wirklich sehr, sehr schwer tut, überhaupt Tumore zu identifizieren oder zu diagnostizieren. Das heißt, wir sind jetzt mit der Therapie schon so weit, dass wir wirklich auf die Diagnostik angewiesen sind.
Christoph GoggHerr Professor Muacevic, Herr Dr. Fürweger, vielen Dank für dieses spannende Gespräch und die hochinteressanten Einblicke in Ihre medizinischen Fachrichtungen. Ihnen zu Hause: Danke fürs Zuschauen. Das war die Sprechstunde für heute. Wir sehen uns beim nächsten Mal wieder, wenn Sie mögen. Bleiben Sie gesund. Auf Wiederschauen.