ERCM TV – Teil 4: Cyberknife zur Behandlung von Wirbelsäulentumoren

In diesem Beitrag sprechen wir über die Möglichkeiten der Cyberknife Behandlung zur Therapie von Wirbelsäulentumoren.

Video-Transkript

  • Christoph Gogg Seien Sie alle ganz herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Cyberknife-TV. Ich freue mich sehr, dass Sie wieder mit dabei sind. Wir melden uns auch diesmal wieder aus dem europäischen Cyberknife Zentrum hier in München Großhadern. Unser Thema heute: Alles rund um die Wirbelsäule. Was ist da für medizinische Behandlungen mit der modernen Cyberknife-Technologie gibt: Das besprechen wir heute zusammen mit unseren Experten hier vor Ort mit Professor Alexander Muacevic und Dr. Markus Kufeld. Hier vom europäischen Cyberknife Zentrum in München Großhadern.

    Herr Professor Muacevic, bevor wir mal direkt in die Behandlungen hineingehen, in diese besondere Behandlungsform, ein paar Worte mal zu diesem Zentrum für alle, die es noch nicht kennen. Wie ging es denn überhaupt los? Was sind die Schwerpunkte?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Wir haben das Zentrum ja vor 15 Jahren zusammen mit dem Klinikum Großhadern hier etabliert. Mittlerweile haben wir schon fast 10.000 Patienten – unglaublich, aber wahr – behandelt, über das ganze Spektrum der Tumorerkrankungen. Wir haben ja im Wesentlichen angefangen mit Hirntumorbehandlungen. Dann haben wir uns weiterentwickelt über die Wirbelsäule in den Körperbereich, also Lungentumore, Lebertumore, Nierentumore. In letzter Zeit sehr populär die Prostatabehandlungen geworden. Aber die Wirbelsäule ist sicherlich für uns von Anfang an ein Steckenpferd gewesen.

    Es ist ja so, der Wirbelsäulenchirurg, der heute bei uns dabei ist, der wird da später noch ein bisschen dazu berichten. Aber Wirbelsäulentumore sind generell sehr häufig bei Tumorerkrankungen. Natürlich ist es so, dass so eine Methode nicht für alle Fälle der Wirbelsäulentumorerkrankung die richtige ist. Es ist aber so, dass bei einzelnen Tumoren, die man alternativ operieren würde, hier sehr gute Möglichkeiten bestehen.
  • Christoph Gogg Herr Dr. Kufeld, was ist für Sie das Besondere, hier im Team mit dabei zu sein hier in Großhadern?
  • Dr. med. Markus Kufeld Wir haben natürlich als Neurochirurgen von unserer Grundausbildung, Herr Professor Muacevic und ich, ein ganz besonderes Interesse an den Kopf- und Wirbelsäulenbehandlung. Und mit dem Cyberknife haben wir die Möglichkeit, im gesamten Bereich der Wirbelsäule eben Tumorerkrankungen – unter Umständen alternativ zu einer offenen Operation – zu behandeln. Das haben wir hier sicherlich maßgeblich mit etabliert. Die Radiochirurgie an der Wirbelsäule, die fokussierte Bestrahlung, und da haben wir hier natürlich entsprechend gute Bedingungen und Erfahrungen sammeln können. Und das macht hier dann besonders Spaß, das umsetzen zu können und dem Patienten da eine gute Alternative anbieten zu können.
  • Christoph Gogg Ich möchte noch mal kurz genauer darauf zu sprechen kommen. Denn da sind Sie ja zwei ganz besondere Vertreter auch gerade in dieser Form der Behandlung, wenn es um den Bereich Wirbelsäule geht. Wenn Sie sich beide mal dahingehend definieren würden, vielleicht?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Wir sind ja beide von der Ausbildung her Neurochirurgen, also operativ ausgebildet, und haben uns dann zusätzlich über spezielle Fachkunden für diese radiochirurgischen Therapiekonzepte fortgebildet. Und es ist schon ein Unterschied, ob man diese Tumore mit einer chirurgischen Kompetenz behandelt, oder ob man nur Bilder gesehen hat. Insbesondere wenn man abwägen muss und möchte: Welcher Teil ist hier für eine chirurgische Therapie das Richtige? Welcher Teil ist hier für eine radiochirurgische Cyberknife-Therapie die richtige Methode? Da gibt es viele Nuancen und da haben wir hier eben nicht nur unter uns, aber auch natürlich mit den Kollegen im Klinikum, mit der Klinik von Professor Tonn, der Neurochirurgischen Klinik, sehr, sehr kompetente Partner, wo wir im Einzelfall für die jeweiligen Patienten die richtigen Therapiekonzepte auswählen können.
  • Christoph Gogg Stichwort Therapie: Was ist denn das Besondere, das Einzigartige auch an der Cyberknife-Technologie, die hier zum Einsatz kommt bei Ihnen?
  • Dr. med. Markus Kufeld Wie auch bei den Kopfbehandlungen, die immer noch den größten Teil unserer Behandlung ausmachen, haben wir eben auch für die Wirbelsäulenbehandlung die typische radiochirurgische Einzeit-Bestrahlung etabliert. Das heißt, die Behandlung wird in einer einzigen Sitzung durchgeführt – natürlich plus vorbereitende Maßnahmen. Aber die eigentliche Bestrahlung des Tumors, der Metastase in der Wirbelsäule wird, wenn immer es geht, von uns in einer einzigen Behandlungssitzung durchgeführt.

    Das macht es für den Patienten natürlich komfortabel im Hinblick auf Anreise und wiederholte lange Therapien, die ihm unter Umständen eben auch Lebensqualität und Lebenszeit sonst besetzen. Und da wird die Einzeit-Behandlung in einer Sitzung von den Patienten sehr gut angenommen.
  • Christoph Gogg Patient ist ein schönes Stichwort, gerade von Herrn Dr. Kufeld angesprochen. Wenn ich als Patientin oder Patient zu Ihnen komme, auf was muss ich mich einstellen? Wie sieht diese Behandlung aus? Es ist ja etwas ganz anderes, als wenn ich jetzt vielleicht früher zu Ärzten gegangen bin und gemeint habe: Ich habe jetzt wahnsinnige Angst, mich behandeln zu lassen. Da passiert vielleicht irgendetwas, was ich nicht angenehm empfinde. Wie sieht das genau bei Ihnen aus?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also es ist sicher so, dass man vor der Behandlung überhaupt keine Sorge haben muss. Aber es ist klar, wenn man das nicht kennt, geht man erst mal ins Ungewisse. Deshalb gibt es im Prinzip zwei Haupttermine: Der eine Termin ist die Vorstellung, wo geprüft wird, ob die Indikation tatsächlich passt, ob wir eine gute Therapie anbieten können. Wenn das bejaht ist, kann man gleich ein sogenanntes Planungs-CT, also einen Computertomogramm, als Basis für die computergestützte Planung durchführen.

    Und dann gibt es in den allermeisten Fällen nur noch einen weiteren Behandlungstermin. Dann kommt man ganz normal in Straßenkleidung, wird dann von unseren freundlichen Mitarbeitern abgeholt, geht dann in den Behandlungsraum. Da legt man sich hin. Die Behandlung mit der neuesten Gerätegeneration, die wir jetzt in München seit einigen Jahren haben, ist sehr schnell. Das heißt, die Behandlung dauert in den meisten Fällen maximal 30 Minuten.

    Man liegt auf einer Liege, der Roboter kreist um einen und schickt dann seine Strahlen entsprechend unserer Computerplanung auf den zu zerstörenden Herd und nach 30 Minuten steht man auf und geht dann im Prinzip kurz danach schon wieder, nach einem kurzen Abschlussgespräch, nach Hause. Es ist sogar so, dass man während der Behandlung Pausen machen kann. Also wenn man sich beispielsweise nach zehn Minuten unwohl fühlt, oder irgendwo juckt, oder ich muss trotzdem noch mal kurz auf Toilette, dann kann man das alles machen. Es ist überhaupt kein Problem, die Behandlung zu unterbrechen und dann nach der jeweiligen Aktion wieder weiterzuführen.
  • Christoph Gogg Jetzt haben wir heute den Schwerpunkt Wirbelsäule und die ganzen Bereiche um die Wirbelsäule herum. Was für Krankheitsbilder können denn da auftreten, die Sie dann auch gezielt behandeln mit ihrer Technologie?
  • Dr. med. Markus Kufeld Also im Bereich der Wirbelsäule wird das Cyberknife nahezu ausschließlich für Tumorbehandlungen eingesetzt. Und da muss man jetzt zwei Hauptgruppen unterscheiden. Die eine große Gruppe, die bei uns den größten Anteil ausmacht, sind Absiedelungen von bösartigen Erkrankungen, Krebsmetastasen letztlich, die häufig in der Wirbelsäule, im Knochen vor allen Dingen, vorkommen, aber auch das Rückenmark schon bedrängen können. Diese Behandlungen machen den größten Teil unserer Wirbelsäulenbehandlungen aus.

    Darüber hinaus gibt es primäre Tumore, gutartige wie bösartige, die in der Wirbelsäule vorkommen, die auch, wenn das vom MRT-Bild, von der radiologischen Bildgebung, ein klarer Befund ist, als Alternative zu einer Operation, radiochirurgisch mit dem Cyberknife gut behandelt werden können. Wenn die relativ strengen Kriterien erfüllt sind. Wichtig ist dabei noch, dass wir schon häufig auch den Patienten primär zur Operation raten. Aber wenn ein Patient schon mal operiert ist oder sogar mehrere Tumore an der Wirbelsäule hat, insbesondere in diesen Fällen ist das Cyberknife dann gut geeignet als Alternative zu einer erneuten Operation – gerade bei sogenannten Rezidiven, wie wir das nennen.
  • Dr. med. Ralph Medele Tumore sind insgesamt selten an der Wirbelsäule. Im Vergleich mit den allgemeinen Tumoren, wenn wir von Prostata, Mammakarzinomen etcetera sprechen, sehen wir sehr, sehr selten Tumore an der Wirbelsäule. Man kann das im Wesentlichen in zwei Gruppen unterscheiden. Man kann zum einen von den Tumoren sprechen, die von vom Nervengewebe ausgehen – vom Nervengewebe und von den Nervenhäuten. Und man kann zum anderen von den Tumoren ausgehen, die den Knochen befallen.

    Beim Knochenbefall ist es sehr, sehr häufig die Metastase, also die Absiedelung eines bösartigen Tumors, der an anderer Stelle am Körper sich manifestiert hat. Und im Bereich der der Nerventumore sind es häufig Tumore, gutartige Tumore, die von den Nervenscheiden ausgehen, die von den Meningen, also von den Nervenhäuten ausgehen Meningeome, Neurinome. Und es gibt selten auch Tumore, die vom Rückenmark beispielsweise selbst ausgehen können und die dann in der Gutartigkeit tatsächlich etwas schlechter sein können.
  • Christoph Gogg Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit den Behandlungen in Wirbelsäulenbereich explizit?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also die Erfahrungen sind natürlich immer, wenn die Indikation die Richtige ist, sehr gut. Es sind oft sehr kritische Behandlungen, weil nahe an der Wirbelsäule ist ja gleich das Rückenmark, das es immer zu schonen gilt. Das Rückenmark ist im Vergleich zu den umliegenden Strukturen sehr klein. Also das ist teilweise acht bis neun Millimeter nur vom Durchmesser und außenrum habe ich deutlich größere und gröbere Strukturen, wo dann diese Tumore sitzen.

    Aber wir können sogar Tumore im sogenannten Spinalkanal, also wo das Rückenmark drin läuft, behandeln – unter gewissen Voraussetzungen. Aber das ist sehr, sehr individuell. Da kommt es immer ganz genau drauf an: Wie groß ist der Tumor? Was ist das für ein Tumor? Wo liegt der Tumor genau? Wie war die Vorbehandlung? Also es ist schwierig, da eine generelle Aussage zu treffen. Man muss jeden Fall individuell und einzeln prüfen.

    Wir haben hier eine Patientin mit einem Wirbelsäulentumor, der schon mal operiert wurde, wie man hier vorne sieht, an dem Wirbelkörperersatz. Alles, was hier weiß zu sehen ist, ist Tumorgewebe. Und jetzt stellt sich für uns die Frage aus operativer und aus radiochirurgischer Sicht, wie man die Situation am besten löst.

    Wir planen hier zusammen mit dem Kollegen Dr. Medele aus dem Wirbelsäulenzentrum in München eine kombinierte Therapie. Eine operative Entlastung von hinten, um Druck wegzunehmen und dann eine radiochirurgische lokale Therapie für die vorderen, schwierig zu operierenden Strukturen. Vorne ist immer schwieriger zu operieren und deshalb kann man hier mit einer Cyberknife-Therapie alternativ einiges erreichen.
  • Dr. med. Ralph Medele Also ich denke schon auch, dass das Problem allein chirurgisch sicher nicht mehr lösbar ist. Ich denke, die Idee ist sinnvoll zu sagen, dass man die dorsalen Tumoraspekte chirurgisch reduziert und in dem Bereich, wo wir dann zunehmend ins chirurgische Risiko kommen, das ergänzend radiochirurgisch versorgen werden. Das dürfte für die Patienten sicherlich das risikominimierteste Vorgehen sein, das möglich ist.

    Ich denke nicht, dass hier allzu große Probleme kommen werden. Und es werden aber signifikante Tumormassen bleiben. Da, denke ich, ist es ein optimales Vorgehen hier in der Kombination mit einer Cyberknife-Therapie, die sich hier optimal eignet, die verbleibenden Tumorreste adäquat zu behandeln.
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Die Operation wäre damit in anderthalb, zwei Stunden wahrscheinlich zu machen. Danach kann die Patientin sich eine Woche erholen und dann könnte man den nächsten Schritt machen. In der Mitte sehen wir das Rückenmark. Das Rückenmark ist relativ klein im Vergleich zu den umliegenden Tumorstrukturen oder knöchernen Strukturen. Diese Struktur gilt es natürlich besonders zu schonen und zu schützen. Und deshalb überlegen wir hier dieses kombinierte Therapiekonzept.
  • Dr. med. Ralph Medele Ich denke auch, dass es so ein relativ risikominimiertes Vorgehen sein dürfte und für die Patientin der größtmögliche Benefit zu erreichen sein dürfte.
  • Christoph Gogg Wie sieht es denn speziell bei dieser Art des Eingriffs mit der Nachsorge auch aus bei der Patientin und bei den Patienten? Was ist da genau zu beachten?
  • Dr. med. Markus Kufeld Wie bei allen unseren Patienten versuchen wir, und das gelingt uns auch in den meisten Fällen, die Patienten sehr gut und eng bei uns weiter zu betreuen. Klassischerweise wird bei einer bösartigen Erkrankung nach drei Monaten wieder eine neue Bildgebung angefertigt und in der Regel im Laufe des ersten Jahres dann alle weitere drei Monate. Die Patienten kommen mit diesen radiologischen Bildern – MRT, CT unter Umständen – wieder zu uns und wir beurteilen die Bilder gemeinsam mit dem Patienten und zusätzlich natürlich in Anlehnung an den bestehenden radiologischen Befund.

    Dabei ist eben noch mal wichtig, dass es nicht so ganz einfach ist, die Bilder nach einer solchen Bestrahlung wirklich zu beurteilen und zu bewerten – ist der Tumor ausgeschaltet? Weil man häufig auch nach der Bestrahlung noch über lange Zeit gewisse Veränderungen in der Wirbelsäule sieht, die nicht so ganz einfach zu interpretieren sind. Deswegen wichtig, und das setzen wir auch so um, dass die Patienten eben zu uns weiterhin kommen. Und wir stehen natürlich bei Problemen der Patienten, wenn doch mal Beschwerden auftreten, im Nachgang jederzeit zur Verfügung.
  • Dr. med. Ralph Medele Primär ist es so, dass jeder Fall sehr individuell betrachtet werden muss. Im Fall von gutartigen Tumoren ist es häufig so, dass die Raumforderung beziehungsweise das Größenwachstum des Tumors zum Handeln zwingt. Hier ist sicherlich die Operation oftmals eine gute Option, den Tumor vollständig zu beseitigen und auf die Art und Weise eine Heilung zu erreichen. In manchen Konstellationen, insbesondere wenn die anatomische Situation so gelagert ist, dass wir mit der Operation ein hohes Risiko gehen müssten oder dass es a priori einzuschätzen ist, dass der Tumor möglicherweise nicht vollständig entfernbar sein wird, können ergänzende Verfahren – wie eben die Cyberknife-Chirurgie oder die Cyberknife-Therapie – sehr, sehr erfolgreich für den Patienten sein.
  • Christoph Gogg Jetzt sind wir mittendrin in Coronazeiten. Wie haben Sie sich jetzt mit dem Cyberknife Zentrum auf diese doch besondere Situation eingestellt? Und was sind die Vorteile insgesamt der Behandlung jetzt momentan, gerade in diesen Zeiten?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Das ist sehr interessant, weil im Prinzip mussten wir uns gar nicht groß einstellen. So eine Behandlungsmethode ist im Prinzip ideal geeignet für diese schwierigen Zeiten. Warum? Weil ich brauche keinen stationären Krankenhausaufenthalt. Ich kann mir also keine zusätzlichen Krankenhauskeime einfangen. Ich habe ausreichend Abstand immer zum Patienten, wie man auch bei uns sieht. Das ist für uns auch eine normale Kommunikationsstruktur sozusagen. Im eigentlichen Behandlungsraum, der hochklimatisiert ist und sowieso immer einen konstanten Luftzug hat, weil die Technik es schon braucht, kann sich praktisch kein Virus aufhalten.

    Also das ist schon eine sehr günstige Situation hier. Das Einzige, was wir geändert haben, ist, dass wir nur noch Angehörige sehr eingeschränkt mit reinlassen, um eben da auch den Abstandsbereich in den Wartezimmern aufrechterhalten zu können. Aber an sich hatten wir hier keine großen Umstellungen und einige Patienten haben auch deshalb diese Therapiemethode gewählt, um eben einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden.
  • Christoph Gogg Was ist für Sie das Besondere an dieser momentanen Situation, Herr Dr. Kufeld? Man spricht jetzt auch immer von dieser neuen Normalität, in der wir uns bewegen.
  • Dr. med. Markus Kufeld Ja, tatsächlich haben wir Maßnahmen ergriffen, alle Vorgaben der Gesundheitsämter und natürlich auch der ärztlichen Stellen umgesetzt. Für uns war es aber tatsächlich relativ einfach, da wir ja eben nicht invasiv am Patienten arbeiten, da wir generell Abstand halten können, schon allein durch unsere großzügigen Räumlichkeiten und bei der Behandlung selbst der Patient ohnehin allein im Behandlungsraum ist. Also die klassischen Risiken, die man sonst beim sehr engen Patientenkontakt hat, im direkten körperlichen Kontakt, das kann bei uns tatsächlich auf ein Minimum reduziert werden. Und damit ist auch das Infektionsrisiko äußerst gering, sodass wir während der gesamten schwierigen Phase bis jetzt prinzipiell eigentlich alle Behandlungen gut und sicher durchführen konnten.
  • Christoph Gogg Was sind insgesamt denn die Vorteile der Radiochirurgie und auch der Cyberknife-Technologie? Es gibt ja wahrscheinlich viele Patientinnen und Patienten, die denken sicher bei Tumorbehandlungen hohe Nebenwirkungen. Da kommt irgendwas auf mich zu. Wie kann man Ihnen auch die Angst nehmen in dieser Hinsicht?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also man kann in den meisten Fällen sicherlich die Angst nehmen, weil wenn man die richtigen Indikationen auswählt, habe ich zum einen natürlich nicht die Nebenwirkungen und Komplikationen, die ich bei einem operativen Eingriff zu erwarten habe, allein schon aufgrund der Tatsache, dass ich keine Narkose brauche – ich muss nirgendwo aufschneiden, es fließt kein Blut. Oder alternativ die herkömmliche Bestrahlung, wo ich doch größere Nebenwirkungen auch im Hautbereich etcetera oder beim Haarausfall habe.

    Das sind Sachen, die können bei der Radiochirurgie nicht passieren. Warum nicht? Weil wir mit viel feineren Strahlen arbeiten. Es ist ja nicht so, dass wir, wie in der herkömmlichen Strahlentherapie, vier oder sechs Einstrahlrichtungen haben, sondern wir haben 150. Und 150 Strahlen, die aber alle nur bleistiftminendünn sind, durchdringen den Körper sozusagen, ohne einen Schaden zu lassen. Aber dieser 150-malige Kreuzungseffekt genau da, wo der Tumor ist, – das ist das, was wir mit unseren Medizinphysikern bei der Behandlungsplanung alles berechnen – bringt dann den tumorabtötenden Effekt. Aber das umliegende Gewebe kann entsprechend geschützt und geschont werden.
  • Christoph Gogg Ist das auch Ihr Eindruck im täglichen Umgang mit den Patientinnen und Patienten, dass so diese Angst, die vielleicht zu Beginn irgendwie einen beherrscht, dass die dann so ganz langsam abfällt und einfach weg ist am Schluss?
  • Dr. med. Markus Kufeld Richtig, das ist natürlich auch unsere Aufgabe, den Patienten diese erst mal vielleicht auch bedrohlich wirkende Technologie nahe zu bringen. Dazu die Ängste und Sorgen der Tumorerkrankungen schlechthin. Da kommt das bei den Patienten natürlich sehr gut an, wenn wir sagen, dass die Behandlung prinzipiell erst mal schmerzfrei ist. Das kann man ganz klar sagen, auch wenn die Cyberknife-Radiochirurgie nicht ohne Risiko ist.

    Die Risiken, die zugegebenermaßen gering sind, aber bestehen, werden dann mit dem Patienten individuell für seinen Fall besprochen. Und so können wir den Patienten an seine Behandlung heranführen und die Ängste, die im Vorfeld bestehen, den Patienten doch in den meisten Fällen nehmen.
  • Dr. med. Ralph Medele Der wesentliche Vorteil ist natürlich, es ist keine Operation und damit hat es auch nicht die Erholungszeit einer Operation. Wir müssen rechnen eine Operation bedarf in der Regel einige Tage stationären Aufenthaltes und bedarf in der Regel eine Erholungszeit von im Schnitt ungefähr vier bis sechs Wochen, bis eben die Folgen einer Operation vollständig abgeklungen sind und der Heilungsprozess sich eingestellt hat.

    Und das, muss man ganz klar sagen, ist in den radiochirurgischen Verfahren natürlich nicht der Fall. Die Behandlungsmodalitäten sind ambulant und eine wesentliche Erholungszeit daraus ist kaum erforderlich. Wir kennen das Cyberknife Zentrum schon sehr, sehr lange und wir haben über sehr viele Jahre auch hervorragende Erfahrungen erzielen können. In der Behandlung der allgemeinen Wirbelsäulenerkrankungen – das ist ein Thema, was sehr, sehr viele Menschen betrifft – und es gibt eben dann ganz, in einer großen Patientenpopulation, immer wieder sehr spezielle selektionierte Fälle, wo eben klar ist, dass man mit dieser sehr hochtechnischen und sehr, sehr präzisen Behandlung für den Patienten ein besseres Behandlungsergebnis erreichen kann. Und wir schätzen aus diesem Grund eben die Kooperation sehr, weil sie natürlich auch unser Behandlungsspektrum abrundet.
  • Christoph Gogg Sie haben vorhin Herrn Professor Tonn erwähnt. Vielleicht noch mal ein paar Worte zu dieser universitären Kooperation. Wie wichtig ist die insgesamt für Sie?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Also die universitäre Kooperation ist aus verschiedenen Aspekten extrem wichtig. Ich würde mal sagen, es geht gar nicht ohne. Zum einen brauchen wir einfach einen großen Expertenkreis, um diese Individualität herauszuarbeiten, um dann richtig diese Methode auch einsetzen zu können. Und zum anderen haben wir ja seit Jahren auch alle unsere Behandlungen wissenschaftlich evaluiert und das ist natürlich wichtig, das zusammen mit den Kollegen aus der Universitätsklinik durchzuführen.

    Wir haben bereits 2006 die erste Publikation überhaupt mit Cyberknife und Wirbelsäulenerkrankungen zusammen mit dem Kollegen durchgeführt, beispielsweise, also das ist ganz essenziell. Und ohne diese Kooperation hätten wir diese Arbeit so auch die letzten Jahre gar nicht durchführen können.
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  • Dr. med. Markus Kufeld Die Patienten, die zu uns kommen, sind häufig sehr komplexe, kommen mit sehr komplexen Erkrankungen, insbesondere an der Wirbelsäule. Häufig haben schon eine ganze Reihe Vorbehandlungen auch stattgefunden und es bestehen in der Regel auch immer mehrere Behandlungsoptionen. Und da ist es natürlich wichtig, mit den Kollegen, die sich mit diesem in diesem Gebiet auskennen, gemeinsam für den Patienten die verschiedenen Therapieoptionen abzuwägen und dann zu entscheiden, gemeinsam mit dem Patienten, was für ihn und in seiner Situation die beste Behandlungsoption ist. Und das geht eben nur im kollegialen Austausch mit den entsprechenden Experten, die sich auch insbesondere dann im Wirbelsäulenbereich auskennen.
  • Dr. med. Ralph Medele Ja, insgesamt ist natürlich das größte Problem an der Wirbelsäule das Sitzen in unserer Gesellschaft. Das muss man ganz klar so sagen. Das dürfte die hauptsächlich verantwortliche Quelle sein für Rückenschmerzen. Das dürfte die hauptsächliche Quelle sein für Schäden an der Bandscheibe und all den daraus resultierenden Konsequenzen. Das heißt, wenn Sie die Möglichkeit haben, Ihren Alltag so zu gestalten, das Sitzen zu reduzieren, dann tun Sie sich einen sehr, sehr großen Gefallen.
  • Christoph Gogg Ganz wichtige Frage natürlich noch für alle Patientinnen und Patienten: Erstattet meine Krankenkasse die Kosten für diese Behandlung? Wie sieht es da momentan aus?
  • Prof. Dr. med. Alexander Muacevic Wir haben hier in Bayern und in München sehr günstige Voraussetzungen. Wir haben ja von Anfang an die Troika mit der AOK Bayern, dem Klinikum Großhadern und dem Cyberknife Zentrum etablieren können. Das ist was Besonderes, weil oft ist es schwierig, für moderne und neue Therapieverfahren auch die Krankenkassen gewinnen zu können. Aber wir haben hier eine sehr gute Abdeckung, nicht nur mit der AOK, auch mit sämtlichen Betriebskrankenkassen, also den BKKs, der Barmer Ersatzkasse und vielen weiteren eine sehr gute und klinisch fundierte Kooperation – natürlich auch mit sämtlichen Privatkassen deutschlandweit. Es gibt einige Kassen, wo es nach wie vor ein bisschen hakt. Da sind wir immer noch dran, das zu bearbeiten und hoffen, da dann auch in der Zukunft noch mehr Erfolge verzeichnen zu können.
  • Christoph Gogg Dann drücken wir dafür ganz fest die Daumen. Meine Herren, vielen herzlichen Dank für dieses wieder sehr spannende Gespräch und diesen hochinteressanten Einblick in die Cyberknife-Technologie. Ganz herzlichen Dank, dass wir da sein durften. Ihnen zu Hause: Vielen Dank fürs Zuschauen. Das war Cyberknife-TV für heute. Wenn Sie mögen, können Sie natürlich noch einmal alle unsere Sendungen in unserer Mediathek unter muenchen.tv anschauen und sich weitere Informationen auch im Internet holen. Unter cyber-knife.net ist das natürlich auch möglich. Bis zum nächsten Mal. Machen Sie es gut. Auf Wiederschauen.
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